Warum ist die (private) Fotovoltaik am Ende?...

Volker Staben wrote:
> Es ändert sich unter Last lediglich der Polradwinkel.

Einen winzigen Schritt in Richting höherer Abstraktionsebene darfst Du
selbst mir zutrauen. dieser eine, dann effektiv bremsende Generator
zieht die Summe aller anderen in der Frequenz nach unten. Natürlich
bleiben alle bis auf Phasenpendeln synchron.

Wenn \"er\" (positive oder negative) Wirkleistung einspeist, verursacht er
- genau wie jeder andere Einspeiser oder jede andere Last auch -
entsprechende Frequenzänderungen.

Eben das sehe ich noch nicht. Mein eines Semester elektrische Maschinen
liegt 40 Jahre zurück. Eine Elektronik kann stets frei von oder mit
beliebig wähhlbarer Phase einspeisen, nur nicht mit mehr Leistung, also
Strom, als ihre Quelle bereitstellt.


--
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Stefan Heimers wrote:
Somit kann auch ohne rotierende
Massen sowohl eine Trägheit nachgebildet werden als auch die Frequenz
geregelt werden. Auch Blindleistung lässt sich auf die weise
bereitstellen oder kompensieren.

Ja, danke. Das war mir eigentlich klar und Du bestätigst mein
Halbwissen. Volker behauptet aber, er müsse zwangsweise abhängig von der
eingespeisten Leistung die Frequenz in eine bestimmte Richtung ziehen,
und genau das sehe ich nicht.

Wie zuverlässig und stabil so eine Nachbildung in der Praxis werden
kann, durchschaue ich auch nicht, aber das mögen die Fachleute
bearbeiten. Im Prinzip scheint es möglich. Was ich aber auch nicht sehe
ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße sein
soll. Bei konventioneller Technik ergibt sie sich zwangsläufig, man
/kann/ sie elektronisch nachbilden. Aber ist sie auch dann noch optimal?

Bei Wechselrichtern für Solaranlagen gibt es sogar Vorschriften für das
Verhalten. Geräte mittlerer Leistung müssen eine fix vorgegebene
Phasenverschiebung haben, Grossanlagen müssen aktiv regelbar sein.

Danke, wußte ich nicht.


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Am 22.01.2022 um 13:04 schrieb Volker Staben:
Am 22.01.22 um 09:39 schrieb Christoph Müller:

Ich bin kein Verfechter von irgendetwas.

Dann bist du ein Mensch ohne eigenen Standpunkt.

Und die Kupferplatte ist keine
Theorie, sondern ein evaluiertes und etabliertes Modell.

Das Wellenmodell im Vergleich zu einem See auch. Auch wenn die Wellen 20
cm hoch sind, kann man den Pegel auf den Millimeter genau messen.

Ich teile allerdings die konsensuale Einschätzung der wissenschaftlichen
Gemeinschaft, dass ein Kupferplatten-Modell das Verhalten des real
existierenden Netzes für manche einfachen Fragestellungen hinreichend
gut beschreibt.

Ich bin eher ein Verfechter der \"Seen-Theorie\".

Was auch immer das sein mag. Wahrscheinlich etwas, was Du aus Deinem
reichhaltigen Topf \"Vielfalt statt Einfalt\" greifst? Der scheint gut
gefüllt zu sein...

Wer Neues will, muss in viele Richtungen denken. Mit Einfalt kommt man
da nicht weit.

Die Kupferplattentheorie kennt keine Wellenberge und Täler. Egal, wo
man hin greift - überall herrschen die gleichen Verhältnisse.

Auch dann, wenn man das Kupferplattenmodell erweitert und einzelne
Netzknoten durch (dann eben nicht mehr vernachlässigte)
Leitungsimpedanzen verbindet, ändert sich an der Tatsache, dass die
Netzfrequenz überall im Netz grundsätzlich gleich ist, nichts.

Bei genauem Hinsehen kann sie aber nicht überall gleich sein. Du bringst
doch selbst gerne das Modell der langen Transmissionswelle ins Spiel.
Eine solche ist aber nicht starr. Je länger sie ist, desto mehr
Verdrillung wird man erwarten müssen. Eine Verdrillung ohne lokale
Frequenabweichung geht allerdings nicht. Um entsprechenden Phasenversatz
hin zu bekommen, muss zumindest zeitweise lokal eine andere Frequenz
herrschen. Eine lange Transmissionswelle kann man auch als rotierende
Torsionsfeder auffassen.

Auch an
der Tatsache, dass man diese - immer noch überall gleiche - Netzfrequenz
lokal messen kann, ändert sich nichts.

Wie eben gezeigt - kann sich sehr wohl lokal ändern. Natürlich nur in
Grenzen. Wenn die \"rotierende Torsionsfeder\" bricht, hat man ein Problem.

Die Messwerte sind grundsätzlich
immer noch überall gleich.

Wenn die Welle wirklich 100% steif ist. Das ist aber nur eine
theoretische Größe.

Ebenso ändert sich nichts an der Tatsache,
dass die Netzfrequenz völlig unabhängig davon beeinflusst wird, WO eine
Ursache für eine Saldenabweichung im Netz lokalisiert ist. Es kommt
allein auf deren Wert an.

Der lässt sich dem Regler in der DLS zumischen.

Nicht so im Seen-Modell. Je nach dem, ob man einen Wellenberg oder
-tal erwischt, liegt man mal etwas höher oder tiefer. Im Schnitt aber
auch immer auf dem mittlere Niveau der Kupferplatte. Die Abweichungen
sind das, womit sich Geld verdienen lässt.

Es gibt im realen Netz keine lokalen Wellenberge oder Täler der
Netzfrequenz, mit denen sich Geld verdienen ließe.

Demnach muss man im richtigen Leben dann also auch die 100% steife Welle
in Ansatz bringen. Wenn also lokale Einflüsse keine Wirkung haben, dann
könnte man daraus wahrscheinlich sogar ein Perpetuum mobile bauen. DAS
wäre doch mal was!

Geld verdienen lässt
sich allerdings sehr gut mit der Frequenzabweichung vom Sollwert. Das
beweisen die am Markt operierenden Primärregelleistungseinspeiser.

Alle Anderen müssen darben und leben von Almosen.

--
Servus
Christoph Müller
www.astrail.de


--
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Am 22.01.22 um 21:09 schrieb Sieghard Schicktanz:
Die Netzfrequenz über einen ausreichend langen Zeitraum - jede
impedanzbehaftete Verbindung erlaubt Phasenverschiebungen, und
Phasenänderungen _sind_ Frequenzänderungen, ggfs. halt nur
kurzfristige, wenn die Verschiebung wieder zur Ruhe kommt.

Ja, selbstverständlich. Auf dem Drehzahlmesser im Auto steht ja auch
\"Umdrehungen je Minute\" und wir wissen, dass sich die Drehzahl
sekündlich ändern kann. Bei dynamischen Systemen wie hier geht es immer
um DGLn und Differenzialquotienten. Mir persönlich gefällt auch
\"Winkelgeschwindigkeit\" besser als \"Frequenz\".

Das reale Netz wird durch das Kupferplattenmodell natürlich nicht
perfekt beschrieben. Ein Modell kann und muss auch nicht perfekt sein,
sondern nur geeignet, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Der
ASAP-Ansatz - as simple as possible - hat sich bewährt.

Um Phasenwinkelpendelungen (und übrigens auch die lokale
Spannungshaltung durch Blindleistung und das Lastflussmanagement) zu
beschreiben, muss man selbstverständlich das Modell um
nichtverschwindende Impedanzen, die Knoten verbinden, erweitern.

V.
 
Am 22.01.22 um 22:33 schrieb Axel Berger:
Wenn \"er\" (positive oder negative) Wirkleistung einspeist, verursacht er
- genau wie jeder andere Einspeiser oder jede andere Last auch -
entsprechende Frequenzänderungen.

Eben das sehe ich noch nicht. Mein eines Semester elektrische Maschinen
liegt 40 Jahre zurück.

Nach meiner Auffassung benötigt man keine vertieften Kenntnisse zu
elektrischen Maschinen - die habe ich auch nicht. Das
Kupferplatten-Modell, die durchaus realistische Annahme einer
nichtverschwindenden, synchron rotierenden Masse und der erste Hauptsatz
der Thermodynamik reichen aus.

Gruß, V.
 
Am 22.01.22 um 22:40 schrieb Axel Berger:
Was ich aber auch nicht sehe
ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße sein
soll.

Weil - wenn man das Netz mit seinen rotierenden Massen mal separat
betrachtet, also ohne die ganze Regelei drumherum - eben die Frequenz
diejenige Größe ist, die unmittelbar auf jeden nichtverschwindenden
Leistungssaldo reagiert. Die Änderung der Winkelgeschwindigkeit einer
rotierenden Masse ist direkt proportional zum momentanen
Wirkleistungssaldo (sorry, wenn ich mich wiederhole).

Ein entsprechendes, sehr stark vereinfachtes Dynamikmodell des Netzes
ist ein Standardmodell, das massenhaft in der grundlegenden Literatur
zur Netzregelung zu Grunde gelegt wird.

Ein Beispiel für die reichhaltige Literatur ist die Dissertation von
Tobias Weißbach:

https://elib.uni-stuttgart.de/bitstream/11682/1840/1/Diss_Weissbach.pdf

Dort ist auf Seite 8 in Bild 2.1 ein derartiges Modell angegeben -
allerdings mit dem separat in einem Block lokalisierten
Selbstregeleffekt des Netzes bzw. seiner frequenzabhängigen Verbraucher.
Auch die summarische Primärregelung ist in Bild 2.1 mit eingezeichnet.

Gruß, V.
 
Volker Staben wrote:
Am 22.01.22 um 22:40 schrieb Axel Berger:
ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße
^^^^^^^^^^^^^^
wenn man das Netz mit seinen rotierenden Massen mal separat
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Eben das war der Punkt. Solange sie da sind, erübrigt sich die Frage.
Sinmd sie nicht mehr da, kann man sie nachbilden, auch klar. (Sicher mit
Pferdefüßen, aber die sind Sache der Insider.) Unklar ist mir, ob und
warum das Nachbilden des alten Verhaltens dann immer noch die beste Wahl
darstellt.


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Hallo Axel Berger,

Du schriebst am Sat, 22 Jan 2022 22:40:58 +0100:

> sehe ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße
^^^^^^^^ ^^^^^^^^^^
Ist das überhaupt so gedacht? Wenn ich da nicht was grandios
mißverstanden habe, dann ist doch die Netzfrequenz gerade keine
\"Regelgröße\", sondern die _Führungsgröße_ für die Regelung?
(D.h. die Größe, nach der der Regeleingriff bestimmt wird.)

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(Weitergabe von Adressdaten, Telefonnummern u.ä. ohne Zustimmung
nicht gestattet, ebenso Zusendung von Werbung oder ähnlichem)
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Mit freundlichen Grüßen, S. Schicktanz
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Hallo Volker Staben,

Du schriebst am Sun, 23 Jan 2022 14:49:36 +0100:

Phasenänderungen _sind_ Frequenzänderungen, ggfs. halt nur
kurzfristige, wenn die Verschiebung wieder zur Ruhe kommt.

Ja, selbstverständlich. Auf dem Drehzahlmesser im Auto steht ja auch
\"Umdrehungen je Minute\" und wir wissen, dass sich die Drehzahl

Das ist wieder was anderes, das ist die Definition der Einheit und
deren Bezugsgröße. Auch ein Fußgänger hat eine in km/h meßbare
Geschwindigkeit, auch wenn er weder einen km noch eine Stunde geht.
(Andererseits gibt es angeblich durchaus auch Verfechter der Ansicht,
daß man physikalische Größen nicht in Einheiten messen dürfe, deren
Bezug den \"Umfang\" des gemessenen Systems überschreiten.)

sekündlich ändern kann. Bei dynamischen Systemen wie hier geht es
immer um DGLn und Differenzialquotienten. Mir persönlich gefällt auch
\"Winkelgeschwindigkeit\" besser als \"Frequenz\".

Winkelgeschwindigkeit = 2 pi * Frequenz, die sind äquivalent,
und für periodische Vorgänge wie die Netzspannung ist IMHO der Begriff
\"Frequenz\" (in etwa \"Wechselgeschwindigkeit\") passender.

Das reale Netz wird durch das Kupferplattenmodell natürlich nicht
perfekt beschrieben. Ein Modell kann und muss auch nicht perfekt
sein, sondern nur geeignet, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Der
ASAP-Ansatz - as simple as possible - hat sich bewährt.

Ja, durchaus - nur kommt da, wie angeblich schon Einstein bemerkt haben
soll, noch eine kleine Zusatzforderung dazu: but not simpler, also
(übersetzt): So einfach wie möglich, aber nicht einfacher (bzw. zu
einfach).

--
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nicht gestattet, ebenso Zusendung von Werbung oder ähnlichem)
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Mit freundlichen Grüßen, S. Schicktanz
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Am 23.01.22 um 20:22 schrieb Sieghard Schicktanz:

Ja, durchaus - nur kommt da, wie angeblich schon Einstein bemerkt haben
soll, noch eine kleine Zusatzforderung dazu: but not simpler, also
(übersetzt): So einfach wie möglich, aber nicht einfacher (bzw. zu
einfach).

Äh, nein, auch wenn Einstein für jeden halbwegs klugen Spruch
herhalten muss: Das war William of Ockham / Occam, so um 1300.
\"Entia non sunt multiplicanda praeter neccessitatem.\"
Es soll ähnliches schon bei den alten Griechen gegeben haben.

Bekannt als das Rasiermesser, Occam\'s razor.

Gruß, Gerhard
 
Sieghard Schicktanz wrote:
Wenn ich da nicht was grandios
mißverstanden habe, dann ist doch die Netzfrequenz gerade keine
\"Regelgröße\", sondern die _Führungsgröße_ für die Regelung?

Du hast recht, ich war terminologisch unsauber.


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Gerhard Hoffmann wrote:
Äh, nein, auch wenn Einstein für jeden halbwegs klugen Spruch
herhalten muss: Das war William of Ockham / Occam, so um 1300.

Die haben beide kluge Sachen gesagt, aber Sieghards Zitat war doch
Einstein.


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Am 23.01.22 um 20:22 schrieb Sieghard Schicktanz:
Winkelgeschwindigkeit = 2 pi * Frequenz, die sind äquivalent,
und für periodische Vorgänge wie die Netzspannung ist IMHO der Begriff
\"Frequenz\" (in etwa \"Wechselgeschwindigkeit\") passender.

Die elektrische Energieübertragung basiert auf einem Dreiphasensystem
aka \"Drehstrom\". Und dieser umgangssprachliche Begriff verdeutlicht
bereits, dass sich da etwas dreht, nämlich drei um 120°
phasenverschobene Zeiger, die jeweils Spannungen oder Ströme
symbolisieren, in einer komplexen Ebene. Die Winkelgeschwindigkeit
dieser rotierenden Zeiger ist eine kontinuierlich veränderliche Größe.

Das reale Netz wird durch das Kupferplattenmodell natürlich nicht
perfekt beschrieben. Ein Modell kann und muss auch nicht perfekt
sein, sondern nur geeignet, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Der
ASAP-Ansatz - as simple as possible - hat sich bewährt.

Ja, durchaus - nur kommt da, wie angeblich schon Einstein bemerkt haben
soll, noch eine kleine Zusatzforderung dazu: but not simpler, also
(übersetzt): So einfach wie möglich, aber nicht einfacher (bzw. zu
einfach).

Genau das meinte ich mit \"geeignet, um ein bestimmtes Problem zu lösen\".

In der Definition der VDI-Richtlinie 3633-1: \"Ein Modell ist eine
vereinfachte Nachbildung eines geplanten oder real existierenden Systems
mit seinen Prozessen in einem anderen begrifflichen oder
gegenständlichen System. Es unterscheidet sich hinsichtlich der
untersuchungsrelevanten Eigenschaften nur innerhalb eines vom
Untersuchungsziel abhängigen Toleranzrahmens vom Vorbild.\"

Oder im International Electrotechnical Vocabulary der International
Electrotechnical Commission IEC: \"Mathematical or physical
representation of a system or a process, based with sufficient precision
upon known laws, identification or specified suppositions.\"

V.
 
Am 23.01.22 um 10:01 schrieb Christoph Müller:
Auch dann, wenn man das Kupferplattenmodell erweitert und einzelne
Netzknoten durch (dann eben nicht mehr vernachlässigte)
Leitungsimpedanzen verbindet, ändert sich an der Tatsache, dass die
Netzfrequenz überall im Netz grundsätzlich gleich ist, nichts.

Vielleicht war \"grundsätzlich\" nicht das perfekt passende Wort.
Natürlich ist bei einem impedanzbehafteten Knotenmodell die
Momentanwerte der Netzfrequenz nicht zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort
exakt gleich, so wie es mit der Kupferplatte vereinfachend angenommen
wird. Es ist ja gerade eine Eigenschaft des impedanzbehafteten
Knotenmodells, dass kurzfristig kleine lokale Phasenwinkeldifferenzen -
die sich über große Distanzen auch mal zu ±270° summieren können -
zugelassen werden.

Über nicht zu kurze Betrachtungszeiten gemessen müssen aber über kleine
und große Distanzen betrachtet die Messwerte der Frequenz innerhalb der
Messunsicherheiten so ziemlich gleich sein und sich auch gleichsinnig
ändern. Die Welle ist schon recht steif. Und das ist eine Eigenschaft,
die eine gewisse Grundsätzlichkeit aufweist. Diese Grundsätzlichkeit
gipfelt im Kupferplattenmodell, dass die kleinen kurzfristigen lokalen
Phasenwinkeldifferenzen vernachlässigt.

Bei genauem Hinsehen kann sie aber nicht überall gleich sein. Du bringst
doch selbst gerne das Modell der langen Transmissionswelle ins Spiel.
Eine solche ist aber nicht starr.

Punkt 1: man kann sie in vereinfachten modellhaften Betrachtungen als
unendlich torsionssteif annehmen - und dann ist man bei der Kupferplatte
bzw. einem summarischen Netzmodell. Mit diesem summarischen Netzmodell
kann man die unmittelbare Abhängigkeit der Änderung der Netzfrequenz vom
Wirkleistungssaldo und die Funktionsweise der globalen Frequenzhaltung
durch solidarisch verteilte globale Wirkleistungseinspeisung gut
erklären - genau das kann man in der Literatur auch gut nachlesen. Und
das solltest Du gelegentlich mal verstehen.

Punkt 2: andere Dinge, die in der Realität auftreten, kann man mit
diesem Modell nicht mehr abbilden - Frequenzpendelschwingungen,
Lastflussmanagement, lokale Spannungshaltung, ... Dafür kann und muss
man das Modell dann erweitern, also nichtverschwindende
Leitungsimpedanzen berücksichtigen bzw. in der Wellenanalogie die Welle
torsionselastisch annehmen. Zumindest in Bezug auf die lokale
Spannungshaltung durch Blindleistungseinspeisung solltest Du das
gelegentlich mal verstehen.

Wiederum weitere Dinge, die in der Realität auftreten, kann man mit
diesem Modell wiederum nicht abbilden - Nichtlinearitäten,
Netzoberschwingungen, ... Dafür kann und muss man dann das Modell
erweitern. der Einstieg und ein Grundverständnis erfolgt geeigneterweise
mit einem ASAP-Modell - as simple as possible.

Du hast nach meiner Wahrnehmung bereits Schwierigkeiten, die
vereinfachte Modellbildung nach Punkt 1 in seiner Grundsätzlichkeit zu
verstehen. Normalerweise schreitet ein erfolgreicher Erkenntnisgewinn
vom Einfachen ins Kompliziertere fort. Also versuch doch bitte erst
einmal, die einfachen Dinge zu verstehen.

V.
 
Am 23.01.22 um 15:41 schrieb Axel Berger:
Volker Staben wrote:
Am 22.01.22 um 22:40 schrieb Axel Berger:
ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße
^^^^^^^^^^^^^^
wenn man das Netz mit seinen rotierenden Massen mal separat
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Eben das war der Punkt. Solange sie da sind, erübrigt sich die Frage.

Sie werden auf Dauer da sein, die Frage erübrigt sich also.

Die Experten rechnen AFAIR damit, dass sich die Netzanlaufzeit in den
nächsten Jahrzehnten durchaus verringern wird. Aber selbst dann haben
wir bis zum theoretischen Grenzfall \"Rotationsträgheitsmoment ist exakt
gleich null\" noch einen unendlich großen Sicherheitsfaktor.

Vorsicht - Satire: Und wenn der realiter nicht denkbare Fall komplett
verschwindender rotierender Massen wider Erwarten doch eintreten sollte,
dann wird sich der Chef der Entso-e mit Sicherheit einen alten
Klappziffernwecker aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts
hinstellen, dessen Synchronmotor dann eine letzte rotierende Masse
darstellt. Und damit das (n-1)-Kriterium erfüllt ist, wird der Chef von
SwissGrid das gleiche tun. Sonst zieht noch jemand den Stecker des einen
letzten Synchronmotors und innerhalb unendlich kurzer Zeit haben wir
eine unendlich große Änderung der Netzfrequenz und damit einen Blackout
von Polen bis Portugal und von Belgrad bis Belgien. Das wollen wir doch
nicht. Der Hausmeister der Entso-e kümmert sich bestimmt liebevoll um
den Wecker und ölt ihn regelmäßig zu unser aller Beruhigung :)

Sinmd sie nicht mehr da, kann man sie nachbilden, auch klar. (Sicher mit
Pferdefüßen, aber die sind Sache der Insider.) Unklar ist mir, ob und
warum das Nachbilden des alten Verhaltens dann immer noch die beste Wahl
darstellt.

Begründung: siehe <j5562dFdtgiU1@mid.individual.net>

Ansatz zum Verständnis: siehe <j554vbFdn6jU1@mid.individual.net>

Gruß, V.
 
Am 23.01.22 um 20:10 schrieb Sieghard Schicktanz:
Hallo Axel Berger,

Du schriebst am Sat, 22 Jan 2022 22:40:58 +0100:

sehe ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße
^^^^^^^^ ^^^^^^^^^^
Ist das überhaupt so gedacht? Wenn ich da nicht was grandios
mißverstanden habe, dann ist doch die Netzfrequenz gerade keine
\"Regelgröße\", sondern die _Führungsgröße_ für die Regelung?
(D.h. die Größe, nach der der Regeleingriff bestimmt wird.)

Im summarischen Mdell der f/P-Regelung ist die Netzfrequenz - also die
Winkelgeschwindigkeit der Spannungszeiger des real existierenden Netzes
- die Regelgröße. Führungsgröße ist deren Sollwert - genauer: deren
Sollwerte, denn diese sind an den unterschiedlichen Standorten der
Primärregelleistungseinspeiser nicht zwangsläufig identisch. Der
Regeleingriff erfolgt (wie gewohnt) an Hand der Differenz von Führungs-
und Regelgröße durch die Stellgröße \"summarisch eingespeiste
Wirkleistung\". Der summarische Wirkleistungsbedarf der Lasten ist Störgröße.

IMHO lag Axel völlig richtig, die Verwirrung kommt vielleicht daher,
dass die Einheiten von Führungs- und Regelgröße gleich sind, nämlich die
einer \"Frequenz\": 1/Sekunde.

V.
 
Am 22.01.22 um 20:47 schrieb Sieghard Schicktanz:
Der komplette Wegfall aller rotierenden Massen ist vermutlich ein
theoretischer Grenzfall, über den es sich nicht nachzudenken lohnt.

Streiche das \"nicht\". _Gerade_ Grenzfälle sind welche, über die man
nachdenken und die man _untersuchen_ sollte. Dort stecken nämlich oft
unvermutete Effekte, die sich dann, und dann meistens unangenehm,
äußern, wenn sich etwas in diese Richtung entwickelt. Das kann schon
recht früh losgehen, aber natürlich auch recht weit gutgehen.

Wenn sich - womit zu rechnen ist - die Netzanlaufzeit in den nächsten
Jahrzehnten verringern wird, dann haben wir immer noch einen unendlich
goßen Sicherheitsfaktor bis zu diesem theoretischen Grenzfall.

Ich vermute stark, dass eine Frequenzhaltung völlig ohne rotierende
Masse - also mit einem Rotationsträgheitsmoment, das exakt gleich null
ist - nicht mehr funktionieren könnte. In diesem Grenzfall müsste sich
auf Grund eines beliebig kleinen Wirkleistungssaldos in beliebig kurzer
Zeit eine beliebig große Frequenzänderung ergeben.

In dem Falle würde also der masselose Synchronantrieb eines Walzwerks
einen masselos angenommenen 20-Tonnen-Stahlblock in unendlich kurzer
Zeit auf unendlich große Geschwindigkeit beschleunigen. Das ist wahrlich
högschd interessant: folgt der Stahlblock dem Erdradius und durchschlägt
die Alpen? Nein - \"durchschlagen\" geht nicht, wegen masselos. Also
werden die Alpen von einem riesigen flüssigen Stahlfleck bedeckt? Die
armen Schweizer. Nein, dem Erdradius folgen geht ja nicht: ohne Masse
gibts keine Gravitation. Fliegt er also geradeaus über den Horizont in
den Himmel? Aber geradeaus ohne Trägheitskräfte? Und was fliegt denn da
überhaupt - so ganz ohne Masse? Oder verdampft der Stahlblock kurz
hinter dem Walzwerk wie ein Meteorit wegen der Luftreibung und der
unendlich großen Geschwindigkeit? Aber was kann denn dann überhaupt
verdampfen, wenn es keine Masse gibt? Eigentlich war der Stahlblock ja
auch schon vorher weg, bevor er beschleunigt werden konnte? Und was sagt
die Einsteinsche Äquivalenz von Masse und Energie dazu, wenn im
Grenzfall jede mit elektrischer Energie bewegte Masse verschwindet?
Welchen Einfluss hat das auf das Erdklima? Fragen über Fragen.

Zumindest den masselosen 20-Tonnen-Stahlblock könntest Du
vorsichtshalber schon mal beim Limes-Buch der Rekorde anmelden: der
leichteste 20-Tonnen-Stahlblock der Welt.

:) V.
 
Am 24.01.2022 um 08:23 schrieb Volker Staben:

Zumindest den masselosen 20-Tonnen-Stahlblock könntest Du vorsichtshalber
schon mal beim Limes-Buch der Rekorde anmelden: der leichteste
20-Tonnen-Stahlblock der Welt.

Aus dem Grunde benutzen die Modellflieger schon lange Trimmaluminium statt
-blei: Damit der Flieger nicht so schwer wird...

Bernd
 
Am 24.01.22 um 08:47 schrieb Bernd Laengerich:
Am 24.01.2022 um 08:23 schrieb Volker Staben:

Zumindest den masselosen 20-Tonnen-Stahlblock könntest Du
vorsichtshalber schon mal beim Limes-Buch der Rekorde anmelden: der
leichteste 20-Tonnen-Stahlblock der Welt.

Aus dem Grunde benutzen die Modellflieger schon lange Trimmaluminium
statt -blei: Damit der Flieger nicht so schwer wird...

Wenn Du Sieghard nett fragst, dann sägt er Dir von einem masselosen
Stahlblock sicher gern etwas ab. Das wäre noch leichter...

Gruß, V.
 
On 1/23/22 3:41 PM, Axel Berger wrote:
Volker Staben wrote:
Am 22.01.22 um 22:40 schrieb Axel Berger:
ist, warum auch dann noch die Frequenz die optimale Regelgröße
^^^^^^^^^^^^^^
wenn man das Netz mit seinen rotierenden Massen mal separat
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Eben das war der Punkt. Solange sie da sind, erübrigt sich die Frage.
Sinmd sie nicht mehr da, kann man sie nachbilden, auch klar. (Sicher mit
Pferdefüßen, aber die sind Sache der Insider.)

Das ist keine Sache der Insider sondern Sache des Energieflusses.
Rotierende Gerneratoren wirken bei Spannungserhöhung als Motoren und
verwenden die überschüssige Energie zur Erhöhung ihrer Drehzahl - daher
die Erhöhung der Netzfrequenz. Wohin soll in einer Nachbildung diese
Energie fließen (gespeichert werden)?

Unklar ist mir, ob und
warum das Nachbilden des alten Verhaltens dann immer noch die beste Wahl
darstellt.

Weil die rotierenden Massen das System stabilisieren, und dafür hat noch
niemand einen brauchbaren Ersatz gefunden.

DoDi
 

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